Montag, 7. Oktober 2013

Die ausgerenkte oder feste Kniescheibe


Probleme mit der Kniescheibe!

Probleme mit der Kniescheibe kommen besonders häufig bei jungen und untrainierten Pferden vor. Vom kurzen "Wegknicken" in der Bewegung bis hin zum absolut blockierten Knie ist da alles möglich. Dabei wird unterschieden zwischen einer luxierten (ausgerenkten, verrenkten, auskugeln) oder fixierten (fesstehenden) Kniescheibe.

Wollen wir erst einmal schauen, wie sich das Knie zusammensetzt.

Knöcherner Aufbau

Das Kniegelenk (lat. Art. Genus) setzt sich zusammen aus dem Oberschenkel (A, Femur), der Kniescheibe (B, Patella) und dem Unterschenkel/Wade (C, Tibia). Es ist ein Gelenk, bei dem die einzelnen Knochen nicht gut zusammenpassen. Deshalb muss es von vielen Bändern stabilisiert werden. Die Kniescheibe wird dabei zwischen einen inneren und äußeren Rollkamm (ähnlich wie ein Fluss, der von 2 Deichen eingefasst ist. Diese Deiche wären wie die Rollkämme) bewegt.
Kniegelenk mit Bändern, Ansicht von vorne
Bilder: ABC of the Horse

 
Oberschenkel (A) mit Kniescheibe (B) auf dem Rollkamm
Quelle: ABC of the horse


Kniegelenk von vorne betrachtet
Foto:Privat


Bänder und Sehnen

Das Kniegelenk ist umspannt von zahlreichen Bändern und Sehnen. Über der Kniescheibe liegt die Endsehne des Muskels quadriceps femoris: Anteil M. rectus femoris. Sie ist mit dem Muskel dafür zuständig, dass die Kniescheibe auf dem Rollkamm des Oberschenkels auf- und abgleiten kann. Auf dem oberen Bild seht ihr etwas in fliederfarben gehalten, die Bänder der vorderen Ansicht. Sie liegen mittig, seitlich außen und seitlich innen um die Kniescheibe und verbinden die einzelnen Knochen und geben ihnen Halt. Bänder sind aufgrund ihres Gewebes nicht besonders dehnbar. Zwischen dem Oberschenkel und dem Unterschenkel puffern 2 Menisken das Kniegelenk.

Muskeln des Knies


Muskeln, die die Beugung verursachen bzw. daran beteiligt sind:

M. gastrocnemius
M. flexor digitorum superficialis (Hilft bei der Beugung)
M. Semitendinosus (auch Strecker)
M. Popliteus (liegt in der Kniekehle)

Muskeln, die die Streckung verursachen bzw. daran beteiligt sind:

M. quadriceps femoris (Muskel bestehend aus 4 einzelnen Muskelanteilen mit eigenem Namen Die Kniescheibe wird von der Endsehne des M. rectus femoris gehalten)
M. gracilis
M. biceps femoris
M. tensor fascie latae
M. Sartorius
M. Semimembranosus
M. Semitendinosus (auch Beuger)

Bei der Beugung müssen die Streckmuskeln entspannen und umgekehrt.

Hier einmal ein Link, wo die einzelnen Muskeln angeklickt werden können. Beschrieben ist die Lage und Funktion der Muskeln.
http://www.tierphysiotherapie-bergheim.de/topo/

Bewegungen des Knie
Das Knie kann gebeugt, gestreckt und fixiert werden.


Was passiert, wenn das Knie sich nicht normal bewegt?


Die fixierte (feststehende) Kniescheibe
Bei der proximalen (nach oben verlagert) Patellafixation hakt sich die Kniescheibe über den Rollkamm fest und löst sich nicht mehr. Das Bein bleibt für einen kurzen oder längeren Moment in der Streckstellung. Das Pferd kann dieses nicht durch Anspannen des M. quadriceps femoris lösen. Dieses Problem kommt häufig bei Pferden vor, bei denen der Trainingszustand der Muskulatur, besonders der M. quadriceps femoris, noch nicht den Anforderungen entspricht. Heißt: es wurde zu viel oder zu lange etwas verlangt und der Muskel ermüdet. Dadurch wird die Funktion des Auf- und Abrollens der Kniescheibe behindert. Der Muskel spannt sich nicht mehr an. Hier ist ein angepasstes Training notwendig sowie ein Aufbau des Muskels. Der Reiter kann es durch ein plötzliches, häufig ganz kurzes, wegsacken der Hinterhand spüren. Viele vermuten dahinter immer ein stolpern. Das ist es aber nicht. Die Behandlung bei einer längeren oder häufigen Fixation sollte unbedingt von einem Fachmann gemacht werden und muss durch ein entsprechenden Training der Muskeln und z. B. manuelle Unterstützung durch z. B. Massagen ergänzt werden. Eine vermehrtes Einsitzen des Reiters sollte erst einmal vermieden werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass im Moment des Übergangs in eine langsamere Gangart ein kurzes Entlasten aus dem Sattel, das Einknicken weitgehend verhindert oder minimiert. Bei jungen und untrainierten Pferden ist es häufig nicht vermeidbar. Sobald das Problem auftaucht, muss das Training angepasst werden. Ein weiterer Grund für eine Fehlfunktion der Muskeln kann auch eine "Blockierung" der Lendenwirbel sein, an denen der Nerv ( N. femoralis), der für die Versorgung des Muskels zuständig ist, herauskommt. Auch dann bekommt der Muskel falsche Signale zugefunkt und arbeitet nicht mehr richtig. Schaut bei dieser Gelegenheit vielleicht noch einmal in dem Post "Nervensystem und Propriozeption" und "Das Muskelsystem". Ein ausgebildeter Osteopath oder Chiropraktiker kann euch auch hier sicherlich helfen.

M. quadriceps femoris, Teil M. rectus femoris
Bildquelle: ABC of the horse




Die luxierte Kniescheibe

Eine Luxation ist ein vollständiger oder unvollständiger (Subluxation)  Kontaktverlust gelenkbildender Knochenenden. Dabei werden die beteiligten Knochen vorübergehend oder dauerhaft in einer Fehlstellung gehalten. Als luxierter Knochen wird immer der körperfernere Knochen bezeichnet. Die Luxation stellt grundsätzlich eine schwere Schädigung eines Gelenkes dar. Beteiligte Knochen am Knie sind der Unterschenkel und die Kniescheibe. Der körperfernere Knochen ist dabei die Kniescheibe.
Die Luxation kann durch ein Trauma, z. B. Sturz, geschehen oder angeboren sein. Bei dem Trauma kann die Kniescheibe durch Fachtherapeuten wieder in ihre ursprüngliche Position zurückgebracht werden. Kennt vielleicht der eine oder andere auch als ausgekugelte Schulter beim Menschen.
Bei einer angeborenen Luxation dauert die Behandlung schon länger und ist nicht immer heilbar. Die angeborene Luxation kann durch eine Fehlbildung des Gelenks entstehen. Diese kann seit der Geburt oder während des Wachstum entstehen. Die Fehlbildung wird in der Medizin als Dysplasie bezeichnet. Bei Shetland Ponys kommt dieses als Erbkrankheit vor. Dabei verlagert sich die Kniescheibe seitlich. Hier liegt es an einer Fehlbildung des äußeren Rollkamm, der zu flach ist.
Die Luxation kann bei Schädigungen des Gelenks chronisch werden. Auslöser dafür sind z.B. Arthritis mit Zerstörung der Bänder. Dabei sind meist zuerst Subluxationen zu beobachten, die später in vollständigen Luxationen übergehen. Hier ist eine dauerhafte Behandlung leider nicht möglich, da durch die Erkrankung des Gewebes die Kniescheibe immer wieder luxiert.
Bei einer chronischen oder angeborenen Luxation ist die Absprache mit dem Tierarzt notwendig. Hier ist ein operativer Eingriff zum Teil möglich. Dabei werden die entsprechenden Gewebe gestrafft oder auch durchtrennt. Im Anschluss ist auch hier ein entsprechender Aufbau der umgebenden Muskulatur notwendig. Diese ist häufig verkümmert.

Vorbeugung
Angemessenes Training ist auch hier einmal wieder die wichtigste Methode der Vorbeugung. Das junge oder länger pausierte Pferd langsam im Training steigern. Pferde mit einer Erbkrankheit sollten nicht in der Zucht eingesetzt werden!

Alle Bilder stammen aus dem Fachbuch "ABC of the horse" von Pauli Gronberg

www.marion-wiesmann.de