Sonntag, 9. Oktober 2016

Die Wirbelsäule des Pferdes

 Skelett der Fachschule für Osteopathische Pferdetherapie Barbara Welter-Böller
Foto: Privat

Aufbau der knöchernden Wirbelsäule

Die Wirbelsäule wird in einzelnen Abschnitten aufgeteilt, die den meisten bekannt sein dürften. Sie besteht aus 7 Halswirbeln ( Halswirbel lat. vertebrae cervicales, Abk. C,  HWS), 18 Brustwirbeln (Brustwirbel lat. vertebrae thoracicae, Abk. Th, BWS), 6 Lendenwirbeln (Lendenwirbel lat. vertebrae lumbales, Abk. L, LWS) 5 Kreuzwirbeln (Kreuzwirbel lat. vertebrae sacrales, Abk. S) und 15 bis 21 Schwanzwirbel (Schwanzwirbel lat. vertebrae caudales).

Ein Wirbel (lat. vertebrae) besteht aus einem Wirbelkörper (lat. corpus vertebrae) und einem Wirbelbogen (lat. Arcus vertebrae). Im Wirbelbogen verläuft geschützt das Rückenmark. Zwischen den einzelnen Wirbeln verankert, jeweils davor und dahinter, liegen die Bandscheiben (lat. disce intervertebralia). Sie dämpfen die Schubkraft auf die Wirbelsäule, die von vorn und hinten auf die Wirbelsäule einwirken, ab und lassen kleine Bewegungen zu. Alle Wirbel sind gelenkig miteinander verbunden. Diese Gelenke nennt man Facettengelenke oder Wirbelgelenke. Je nach Bewegung sind sie unterschiedlich geformt. Einige haben Kerben, die eine seitliche Bewegung verhindern (in der LWS), andere haben eine glatte und horizontale Form, die sehr gut Drehungen zulassen können ( in der BWS). Die Facettengelenke der Halswirbel sind schräg geformt und können so eine seitliche Biegung zulassen.

Zwischen den einzelnen Wirbeln ziehen kurze und stabile Bänder (lat. Ligamenta). Sie verhindern ein Abknicken der einzelnen Wirbel und dienen somit als wichtiger Schutz für das Rückenmark. Dann gibt es wiederum noch lange Bänder. Das am meisten bekannte Band ist das Nacken-Rückenband (lig. supraspinale). Es zieht oben auf den Dornfortsätzen vom Hinterhaupt des Schädels bis hin zum Kreuzbein. Im Halsbereich bildet es zusätzlich eine große bindegewebige Platte aus (lat. Funiculus Nuchae), die zu den einzelnen Halswirbeln zieht.
 
Um die Wirbelsäule überhaupt bewegen zu können und weiter zu festigen, benötigt es Muskeln. Diese Muskeln brauchen stabile Verankerungsplätze. Dazu gibt es an jedem Wirbelbogen 3 Fortsätze (lat. Processus). Rechts und links des Wirbelbogen liegen die Querfortsätze (lat. processus transversi) und nach oben hin der Dornfortsatz (lat. processus spinosus). Diese Fortsätze sind in den verschiedenen Wirbelabschnitten unterschiedlich ausgeprägt, je nach Bewegungsaufgabe des Wirbels. An diesen Fortsätzen können die Muskeln perfekt ansetzen und kleine Bewegungen steuern bzw. die Wirbelsäule versteifen. Die Signale bekommen die Muskeln aus dem Rückenmark.

Brustwirbel mit langem Dornfortsatz im
Bereich des Widerrist
Foto: Privat





Lendenwirbel mit seitlich sehr langen Querfortsätzen
Foto: Privat

Beweglichkeit der einzelnen Wirbelsäulenabschnitte

Über die Beweglichkeit der Wirbelsäule gibt es verschiedene Theorien. Ein besonders strittiges Thema ist die Gegenrotation der unteren Wirbelkante zur seitlichen Biegung. Die einen sagen, ist beides zur einen Seite, die anderen vertreten die Meinung, dass die Rotation immer entgegen der seitlichen Biegung ist. Also ist das Pferd in einer Linksbiegung, dann rotiert die untere Wirbelkante nach rechts. Diese Meinung vertrete ich auch. 

Das Pferd kann sich mit seiner Wirbelsäule um 180 ° drehen. Es hat keine Probleme, sich mit den Zähnen die Flanke zu kratzen. Dabei macht es eine Kombination aus verschiedenen Bewegungen. Diese Bewegungen werden nie von einzelnen Wirbeln gemacht. Es sind immer die angrenzenden mit in der Bewegung eingeschlossen. Im Einzelnen gibt es folgende Möglichkeiten:

  • Beugung (Flexion) und Streckung (Extension)
Bei der Beugung macht die Wirbelsäule sozusagen einen "Katzenbuckel". Der untere Abschnitt der Wirbel nähert sich an, während die oberen Dornfortsätze sich voneinander entfernen. Bei der Streckung ist es genau umgekehrt. Die Dornfortsätze nähern sich an und die unteren Wirbelkörper entfernen sich voneinander.


  • Seitliche Biegung (Lateral Flexion)
Bei der seitlichen Biegung macht sich das Pferd "hohl". Dabei kommen die kleinen Gelenke der einzelnen Wirbel auf der hohlen Seite näher zusammen. Auf der gegenüberliegenden Seite müssen sich die Gelenke wieder mehr voneinander entfernen. Bei der seitlichen Biegung führen die Wirbel, meiner Meinung nach, auch gleichzeitig eine Gegenrotation der Wirbelkörper aus. Das heißt: biegt sich das Pferd nach links, werden die Wirbelkörper unten nach rechts rotiert. Die Dornfortsätze zeigen dabei in die Biegung.


  • Drehung (Rotation)
Die Drehung bezieht sich auf den unteren Wirbelkörper. Der Wirbel dreht sich um die eigene Achse. Diese Bewegung wird in Kombination mit der Biegung ausgeführt und führt in die entgegengesetzte Richtung der Biegung.

Die einzelnen Wirbelabschnitte haben dabei ihre besonderen Fähigkeiten zur Bewegung. Im Folgenden möchte ich auf die einzelnen Abschnitte eingehen.


Halswirbelsäule

Bei der Halswirbelsäule gibt es eine Besonderheit. Die ersten beiden Gelenke werden als Kopfgelenke bezeichnet. Sie bewegen und stabilisieren den Kopf. Dabei vollführen sie viele kleine Bewegungen in alle Richtungen. Es ist somit entgegen der natürlichen und biomechanischen Grundsätze, dass das Pferd ständig in der gleichen Genickbeugung läuft. Der erste Halswirbel (Atlas) ist mit dem Schädel gelenkig verbunden. Er hat seitlich 2 große seitliche Gelenkflächen (Atlasflügel), die als Anheftungsfläche für die kleinen Nackenmuskeln dienen und gleichzeitig auch ein Loch im Schädel schützen, in dem das Rückenmark verläuft. Das Gelenk zwischen Schädel und ersten Halswirbel (Atlantookzipitalgelenk  C0/C1) ist leicht in der Lage seitliche Biegung zu vollziehen. Die Beugung und Streckung ist nur begrenzt möglich, die Drehung überhaupt nicht. Bei der seitlichen Biegung ist die Besonderheit, dass der Atlas eine minimale Rotation in die gleiche Richtung vollführt. Die Hauptbewegung ist jedoch die seitliche Biegung. Die Rotation, Beugung und Streckung führt das nächste Kopfgelenk aus. Das Atlantoaxialgelenk (C1/C2) zwischen 1. und 2. Halswirbel (Axis). Der 2. Halswirbel hat nach vorne hin einen langen "Zahn", der in den Atlas gesteckt ist. Dadurch ist dieses Gelenk besonders beweglich. Die Rotation ist dabei die am leichtesten ausgeführte Bewegung. Der Axis kippt dabei automatisch in eine entgegengesetzte seitliche Biegung. Diese beiden Bewegungen sind in diesem Gelenk gekoppelt. Eine Beugung und Streckung ist gut möglich. Bei einem Pferd in natürlicher Aufrichtung ist, anatomisch gesehen, der Dornfortsatz des 2. Halswirbels der höchste Punkt und nicht wie oft angenommen, das Genick.


Schädelrückseite (links) mit 1. (Mitte) und 2.(rechts) Halswirbel
Foto: privat

1.(rechts) bis 3.(links) Halswirbel locker zusammengelegt
Foto: privat

Die Halswirbel 3 bis 6 haben nur sehr kleine Dorn- und Querfortsätze. Dafür aber große Gelenkflächen zwischen den einzelnen Wirbeln. Diese Gelenkflächen sind in einem Winkel von 45° angeordnet. Sie können ideal bei einer seitlichen Biegung ineinandergleiten. Der hintere Wirbel vollführt dabei immer eine kleine Rotation zur Gegenseite. Betrachtet man diesen Teil der Wirbelsäule im Ganzen, so fällt auf, dass der vordere Teil eine Lordose bildet und der untere Teil eine Kyphose. Der obere Teil ist sehr gut in der Lage zu beugen und zu strecken, der untere kann sich gut drehen. 
In den einzelnen Gelenken ist eher wenig Bewegung möglich. Auffällig ist die gute Bewegungsmöglichkeit in der gesamten HWS. Dies ist nötig, um sich gut auszubalancieren und zur Kontaktaufnahme. Der Hals dient als vorderer Hebel zum Aufwölben des Rückens.

Halswirbel mit großen Gelenkflächen
Foto: Privat

Halswirbelsäule
Foto: Privat

Übergang Halswirbelsäule/Brustwirbelsäule (CTÜ)

Dieser Übergang der Wirbelsäule ist besonders den Belastungen durch Reiten, Stürzen usw. ausgesetzt. Hier staucht sich die Kraft von vorne und von hinten sowie aus dem Schultergürtel. Blockierungen sind hier häufig zu finden, was sich z. B. in Stolpern, gebundener Gang in der Vorhand und Gleichgewichtsproblemen zeigt. Die Besonderheit dieser Region ist, dass es sich um eine Mischform der Wirbel handelt. So ist zum einen der 7. Halswirbel ein direkter Gelenkpartner und zum anderen der 1. Brustwirbel. Dieser ist auf der vorderen Seite noch wie ein Halswirbel geformt, auf seiner hinteren aber schon wie ein Brustwirbel mit längerem Dornfortsatz und Ansatzstelle für das erste Rippenpaar. Insgesamt beeinflusst diese Region die letzten Halswirbel ab C5/C6 und die ersten Brustwirbel bis ca. Th 5 in ihrer Funktion. 
Die seitliche Biegung wird durch die Befestigung des ersten Rippenpaares fixiert. Das Beugen und Strecken (Anheben und Absenken des Halses) kann gut ausgeführt werden.

Region des CTÜ von der Seite gesehen
Foto: Privat



Brustwirbelsäule (BWS) mit Brustkorb, Brustbein, Rippen


Die Dornfortsätze der vorderen BWS Th 2 bis ca. Th 11/12 sind sehr lang. Zum Teil haben sie die 5-fache Länge des Wirbelkörpers. Sie bilden den Widerrist des Pferdes. Dabei kommen sie sich an ihren Enden gefährlich nah. Im Gegensatz dazu sind ihre Wirbelkörper sehr klein mit vielen kleinen Gelenkflächen. Die langen Dornfortsätze sind notwendig um die langen Muskeln des Halses zu verankern. Jeder Brustwirbel besitzt ein Rippenpaar, welchen an der unteren Wirbelkante gelenkig verbunden ist. Die Rippen enden dann gelenkig im Brustbein. Die ersten 8 sind durch echte Gelenke verbunden. Diese haben also einen Gelenkspalt, die Gelenkflächen sind mit Knorpel überzogen und es gibt eine Gelenkkapsel. Die hinteren 10 Rippenpaare sind lediglich durch eine knorpelige Verbindung mit dem Brustbein verbunden und werden als unechtes Gelenk bezeichnet.

Vordere BWS von oben betrachtet. Gut zu erkennen die
langen Dornfortsätze und die Rippengelenke
Foto: Privat


Region Widerrist, Dornfortsätze neigen nach hinten
Foto: Privat
 
Mittlere BWS und erste Lendenwirbel
Foto: Privat




Rippengelenke
Foto: Privat

Knorpelige Verbindung Rippen zum Brustbein
Foto: Privat

Die Beweglichkeit in den einzelnen Abschnitten der BWS ist sehr unterschiedlich. So ist die Region um den 14. Brustwirbel äußerst beweglich in seitlicher Biegung und Rotation. Dieser Bereich ist der Mittelpunkt der meisten Bewegungen wie z. B. beim Ausweichen, beim Ausholen mit dem Vorderbein oder beim Ausschlagen. An dieser Stelle ändert sich auch die Neigung der Dornfortsätze. Im vorderen zum Kopf gewandten Bereich, bis Th13, neigen sie sich nach hinten, im hinteren zur Kruppe gewandten Bereich, ab Th 15, nach vorne. Dabei ist der 14. Wirbel eher gerade. Hier ist die tiefste Stelle des Rückens. Diese Neigungsrichtung ist wichtig, um den Zug der Muskeln in die Länge zu bringen. So kann sich der Rücken in der Bewegung "aufwölben" und dehnen.

Der vordere Bereich der BWS kann sich sehr gut in Rotation und seitlicher Biegung bewegen. Zu beobachten ist dies sehr gut am Widerrist des Pferdes im Schritt. Durch die Befestigung der Rippen am Brustbein wird dies aber etwas eingeschränkt. Die vorderen und mittleren Brustwirbel werden durch Muskeln und Bänder gehalten. Im Bereich von Th 10-12 ist die Beugung und Streckung sehr gut möglich. Seitbiegung und Rotation ist wieder eingeschränkter.

Im hinteren Bereich der BWS stabilisieren die Facettengelenke die Wirbel. Die Region des Th 13 bis 15 haben an ihren Gelenkflächen (Facettengelenke) ein Veränderung der Form. So können sie wieder leichter Rotation zulassen. Bei den letzten Brustwirbeln (Th 16-18) ist nur noch sehr wenig seitliche Biegung und Rotation möglich. Hier bilden die Facettengelenke kleine "Nasen", die sehr gut in die Kerbe des jeweils hinten folgenden Wirbels passen. Dadurch wird die Seitbiegung und Rotation sehr eingeschränkt.

Durch alle diese Kombinationsmöglichkeiten macht die BWS eine Wellenbewegung. Natürlich nur, wenn es keine Blockierungen gibt. Sehr gut kann man diese Bewegung im Schritt oder Galopp sehen. Wer sich selber einmal auf den Boden begibt und auf den Knien rumkrabbelt, kann sehr gut diese Bewegungen der Wirbelsäule nachfühlen. Ich würde es jedem einmal empfehlen.

Der Brustkorb des Pferdes ist ein ovales, nach unten spitz zulaufendes Gebilde. Er ist eher schmal. In ihm sind die wichtigsten Organe untergebracht und werden geschützt. Der Brustkorb besteht aus den Rippen, dem Brustbein und den Brustwirbeln. Er ist nicht so starr, wie häufig angenommen. Die vielen Gelenke sind gut beweglich. Er ist mit dem Rumpf nur über Muskeln fixiert. Das Pferd hat kein Schlüsselbein. Dadurch hängt er sozusagen wie in einer Hängematte. Zu den Muskeln gehören z. B. die Brustmuskeln und die innen am Schulterblatt liegenden Muskeln. Sie bilden den Schultergürtel. 

Der Brustkorb selber hat auch viele Eigenmuskeln, die u. a. für die Atmung zuständig sind. So gibt es Muskeln zwischen den einzelnen Rippen, Muskeln zum Heben der Rippen und welche, die den Brustkorb halten. Nach hinten wird der Brustkorb durch das Zwerchfell (Diaphragma) abgegrenzt. Das Diaphragma ist der bedeutendste Muskel für die Atmung. Es bildet eine Kuppel innerhalb des Brustraumes. Es trennt den Brustkorb vom Bauchraum, wo sich die Organe zur Verdauung usw. befinden. Ein blockiertes Zwerchfell kann für nicht infektösen Husten sorgen und die Leistung des Pferdes beeinträchtigen.

Das Brustbein befindet sich vorne am Brustkorb. Man kann es zwischen den Vorderbeinen fühlen. Es ist länglich und gleicht dem Bug eines Schiffes. An ihm sind die Brustmuskeln und die inneren Schultermuskeln verankert. Es dient der Befestigung der Rippen. 

Das erste Rippenpaar geht eher senkrecht nach oben. Es hat als einziges Rippenpaar eine knöchernd-gelenkige Verbindung mit dem Brustbein. Hier wird die gesamte Halswirbelsäule getragen. Die anderen Rippen sind über Knorpel mit dem Brustbein verbunden. Die letzten Rippen (ab 9.) sind nur noch knorpelig mit dem Rippenbogen und nicht mehr direkt mit dem Brustbein verbunden.
Jedes Rippenpaar ist immer an 2 Brustwirbeln gelenkig verbunden. Jeder Wirbel bildet seitlich eine Gelenkpfanne für das Rippenköpfen. Sie kommen seitlich aus den Wirbeln heraus und machen dann einen kleinen Knick um noch einmal zusätzlich an dem Querfortsatz des Wirbels anzuheften. Erst dann machen sie den Bogen nach unten zum Brustbein. Die Bewegung der Rippen ist eine Art Drehbewegung, die an die "Eimerhenkelbewegung" erinnert.
Den vorderen Rippen sind für die Funktion der Atmung und auch für die Tragefunktion des Halses zuständig. Von hier aus ziehen die großen Nackenmuskeln zum Nacken. Auch der Stauchungsdruck vom Boden aus ist nicht zu verkennen. Die freie Bewegung wird häufig durch klemmende Sättel, Gurte und klemmenden Reiter beeinträchtigt. Drückt das Pferd den Rücken nach unten, so entsteht ein zusätzlicher Druck auf die Rippen. Die Atmung kann schnell durch u. a. solche Probleme beeinträchtigt werden.
Blick von vorne in den Brustkorb,
unten befindet sich das Brustbein
Foto: privat




Lendenwirbelsäule (LWS) mit lumbosakralem Übergang (LSÜ)

Die Wirbel der LWS haben einige Auffälligkeiten in ihrer Bauweise. Zum einen haben sie sehr lange Querfortsätze, was ihre seitliche Biegung stark einschränkt. Sie dienen als Schutz für die inneren Organe und sind ideale Anheftungsmöglichkeit für die Muskulatur (besonders die schrägen Bauchmuskeln). Ihre Facettengelenke sind grubenförmig von vorn nach hinten ausgerichtet. Dadurch ist als Bewegung die Beugung und Streckung gut möglich. Ebenfalls besitzen die Gelenkfortsätze der Wirbel noch eine kleine Einkerbung, was eine Rotation der Wirbel verhindert. Die LWS arbeitet also hauptsächlich in Beugung und Streckung. Diese Aufgabe kommt ihr beim Galopp, dem guten Rückwärtsrichten, Springen und Klettern am nächsten. Dabei gleiten die Gelenkflächen der Facettengelenke optimal ineinander. Die LWS überträgt die Kraft und Bewegung der Hinterhand weiter nach vorne.

Bei erwachsenen Pferden kann es ab dem ca. 10. bis 12. Lebensjahr zur teilweisen Verknöcherung der Querfortsätze oder der letzten Lendenwirbel kommen. Dann ist dort keine Bewegung mehr möglich, was beim Reiten berücksichtigt werden muss. Nicht immer ist das Pferd unwillig, wenn es im Galopp nicht mehr so weit untertritt. Zu 99,9 % liegt die Ursache woanders, nicht wahr!?!

Der Lumbosakrale Übergang (LSÜ) ist bei vielen Pferden als "Loch" oben auf der Kruppe zu sehen. Es ist der Übergang zwischen letztem Lendenwirbel und erstem Kreuzbeinwirbel. Dieses Loch entsteht dadurch, dass die Dornfortsätze der Wirbel sich in verschiedene Richtungen neigen. die LWS neigt sich Richtung Kopf, die Wirbel des Kreuzbein neigen sich nun nach hinten Richtung Schwanz. Dadurch entsteht ein freier Raum zwischen den Dornfortsätzen der Wirbelsäule.

Der letzte Lendenwirbel und die Flügel des Kreuzbein liegen mit ihren Flächen aufeinander auf und lassen als Bewegung Beugung und Streckung zu. Rotation ist an dieser Stelle fast gar nicht möglich. Dafür müsste das Kreuzbein blockiert und seitlich rotiert sein. Das ist für das Pferd sehr schmerzhaft.

Bei Trageerschöpfungen sackt die Wirbelsäule im Ganzen nach unten ab und drückt die Facettengelenke des LSÜ zusammen. Dadurch leidet dieser Bereich sehr häufig unter schmerzhaften Blockierungen.
LWS und LSÜ
Foto: privat
5. und 6 Lendenwirbel, verknöcherte Querfortsätze
Foto:privat

Verknöcherung zw. 4. und 5. Lendenwirbel
an den Querfortsätzen
Foto: privat



Kreuzbein und Kreuzdarmbeingelenk (ISG)


Das Kreuzbein ist bei einem Pferd erst ab dem 5. Lebensjahr fest verwachsen. Dieser Punkt ist bei der Ausbildung eines Pferdes von immenser Wichtigkeit! Das Kreuzbein ist zusammen mit einer aktiven Hinterhand unser hinterer Hebel zum Aufrichten der Wirbelsäule. Damit diese Kraftübertragung überhaupt richtig funktionieren kann, muss das Kreuzbein fest verwachsen sein. Das ist reine Physik und entspricht den Hebelgesetzen. Mit einem wackeligen Brett kann ich kein Gewicht effektiv anheben. Zu frühe und zu starke Belastung führen also in dem Fall eher zu gesundheitlich bedenklichen Lösungen und Kompensationen im Bewegungsapparat. Ein junges Pferd sollte aus dem Grunde eher mit Bedacht und sorgsam an die Belastung unter dem Reiter herangeführt werden.

links Kreuzbeinwirbel, rechts Schwanzwirbel
Foto: privat
Das Kreuzbein überträgt die Schubkraft der Hinterhand auf die Wirbelsäule nach vorne. Wenn es verknöchert ist, bewegt es sich im Ganzen und kann sehr gut das Abkippen des Beckens und der Wirbelsäule mitmachen. Eine seitliche Neigung in Rotation nach links und rechts ist ebenfalls möglich. Das Kreuzbein wird durch viele Bänder im Beckenring gehalten und schiebt sich unter dem oberen Rand des Beckens unter den Kreuzbeinhöckern und dem Darmbein zwischen den beiden Hüfthöckern. Es stellt damit eine Verbindung zwischen Wirbelsäule und Beckengliedmaße dar. Der zum Pferdekopf weisende Teil des Kreuzbeins besitzt zu jeder Seite 1 Flügel, der jeweils Kontakt zu dem gleichseitigen Darmbeinflügel hat. In diesem Bereich befindet sich das sog. Kreuzdarmbeingelenk (ISG). Auch dies ist kein echtes Gelenk, sondern eine knorpelige Verbindung ohne Gelenkspalt und ohne Gelenkkapsel. Die Bewegung ist durch straffe Bänder stark eingeschränkt aber dennoch federnd.

verknöchertes Kreuzbein mit seitlichen Flügeln
Foto: privat

Lage des Kreuzbeins im Becken von oben betrachtet
Blick auf die ISG von oben
Foto: privat

Lage des Kreuzbeins im Becken
vom Pferdekopf aus betrachtet
Blick auf die ISG seitlich
Foto:privat

Schwanzwirbel, Sakrokokzygealer Übergang (SCÜ)

Der Sakrokokzygealer Übergang ist die Verbindung zwischen dem Kreuzbein und den Schwanzwirbeln. Das besondere sind die verwachsenen Kreuzbeinwirbel und die dann wieder beweglichen Schwanzwirbel. Der Übergang befindet sich etwa auf halber Strecke zwischen höchstem Punkt der Kruppe und Schweifansatz. Die Schwanzwirbel werden im vorderen Bereich über Bandsysteme der Kruppe gehalten, die eine enorme Spannkraft besitzen.  Erst im Bereich der Schweifrübe ist viel Bewegung möglich. Die Bewegungen der einzelnen Wirbel werden von den Schwanzmuskeln im Bereich der vorderen Schwanzwirbel gesteuert. Die Schwanzwirbel sind insgesamt eher klein und lassen sich im Bereich der Schweifrübe normalerweise gegeneinander verschieben.


Der Schweif des Pferdes stellt eine sehr bedeutende Balancierstange des Pferdes, vor allem in schnellen Gangarten, auf unebenen Boden und beim Springen, dar.

Lage Kreuzbein und vordere
Schwanzwirbel im Becken
Foto: privat

Schlusswort

Ich hoffe, dass ich euch mit diesem Beitrag ein wenig mehr über die Wirbelsäule des Pferdes informieren konnte. Durch die vielen Bilder aus meinen Fortbildungen habe ich versucht das Ganze etwas anschaulicher zu ergänzen. Das Thema Muskeln habe ich bewusst rausgelassen, da es den Beitrag sprengen würde. Das werde ich in einem gesonderten Beitrag sicherlich noch einmal aufgreifen. Wahrscheinlich werde ich mit der Zeit den einen oder anderen Textteil wieder ergänzen, da sich immer wieder in neue Erkenntnisse ergeben, die ich euch nicht vorenthalten möchte.